1865 – Die Aufhebung des Stiftes Ramelsloh

Dass Ramelsloh ein geschichtsträchtiger Ort ist, wird den meisten Gemeindegliedern bekannt sein. Die Ortsgründung geht vermutlich auf Ansgar zurück, der um das Jahr 845 ein Männerstift begründete. Die genauen geschichtlichen Abläufe bis hin zur Aufhebung des Stiftes vor 150 Jahren gibt folgender Text wieder, den wir mit freundlicher Genehmigung der Klosterkammer Hannover abdrucken.

Das Stift

Das Kanonikerstift SS. Sixti et Sinnitii in Ramelsloh gehörte zu den ältesten kirchlichen Stiftungen im nördlichen Niedersachsen. Seine Gründung erfolgte in der Mitte, spätestens im letzten Drittel des 9. Jahrhunderts.
Gründer war vermutlich Erzbischof Ansgar von Hamburg. Ihm war von den karolingischen Königen die Aufgabe übertragen worden, den Norden Europas zu christianisieren. Das Kanonikerstift war eine Exklave des Erzbistums Hamburg-Bremen und lag im Bistum Verden, also im Sprengel des Bischofs von Verden. Seit dem 13. Jahrhundert unterstand es der Landeshoheit der welfischen Herzöge von Braunschweig-Lüneburg.

Siegel des Stifts Ramelsloh aus dem Jahr 1282 - das Siegel zeigt unter einem Baldachin den Stiftsgrün-der Ansgar und die beiden Stiftspatrone Sixtus und Sinnitius, in der Mitte über Ansgar Maria mit dem Jesuskind.
Siegel des Stifts Ramelsloh aus dem Jahr 1282 – das Siegel zeigt unter einem Baldachin den Stiftsgrün-der Ansgar und die beiden Stiftspatrone Sixtus und Sinnitius, in der Mitte über Ansgar Maria mit dem Jesuskind.

Die Hauptaufgabe des Stifts war auf den Gottesdienst gerichtet. Die Domherren übten Kontemplation und verrichteten den Chordienst. Unter ihrer Aufsicht hatten Vikare an den zahlreichen Altären der Stiftskirche Messen zu lesen. Karitative und seelsorgerliche Aufgaben wurden nur in geringem Umfang wahrgenommen. Für das 14. Jahrhundert ist eine Schule bezeugt, die jedoch bei der Reformation nicht mehr bestand.
Ramelsloh gehörte nicht zu den besonders wohlhabenden geistlichen Einrichtungen. Sein Besitz war relativ bescheiden. Da es keine Eigenwirtschaft betrieb, hatte es unmittelbar um Ramelsloh nur wenig Grundbesitz. Größere Einnahmen bezog es aus Grundbesitz in der weiteren Umgebung. Im ausgehenden Mittelalter stammten die Erträge überwiegend nicht mehr aus Grundbesitz, sondern aus Geld- und Kornrenten.
1527 beschloss der Landtag zu Scharnebeck die Einführung von Luthers Lehre im Fürstentum Lüneburg. 1529 unternahm Herzog Ernst der Bekenner von Braunschweig-Lüneburg eine Rundreise zur Durchsetzung der Reformation in den lüneburgischen Klöstern und Stiften.
In Ramelsloh stieß der Herzog auf den Widerstand des Stiftskapitels. Um Druck auszuüben, beschlagnahmte er einen Teil des Stiftsvermögens und der Einkünfte.
1540 lenkte das Stiftskapitel ein und unterschrieb einen Vertrag mit dem Landesherrn. Der Vertrag sicherte zwar den Fortbestand des Stifts, ermöglichte aber auch dem Landesherrn, die Pfründen für die zusätzliche Versorgung verdienter Beamter, Geistlicher oder Leibärzte zu nutzen bzw. als Stipendien an deren Söhne zu ver-geben. Aufgrund sinkender Einkünfte verarmte das Stift in den folgenden Jahrhunderten. Die Zahl der Kanoniker ging stark zurück. Im Jahr 1800 gehörten dem Stift nur noch der Dekan, der Senior, der Subsenior, zwei Kanoniker und zwei Vikare an.
In nachnapoleonischer Zeit geriet die Existenz von Stift Ramelsloh – wie auch der anderen noch bestehenden hannoverschen „Mannsstifte“ – ins Wanken. 1836 ging die Stiftsaufsicht vom hannoverschen Kultusministerium auf die 1818 gegründete Klosterkammer über. Das vakante Dekanat wurde nicht wieder besetzt. Mit der Führung der Geschäfte wurde 1838 der Subsenior Pastor Meyer, der einzige noch in Ramelsloh residierende Kanoniker, betraut.

Die Aufhebung kündigt sich an

Mit einer am 5. September 1848 erfolgten Änderung des Paragraphen 79 des Landesverfassungsgesetzes für das Königreich Hannover von 1840 kündigte sich die Aufhebung des Stifts an.
Der Paragraph 79 der Verfassung von 1840 war – und ist es noch heute – die entscheidende staatsrechtliche Grundlage für die Existenz von Klosterfonds und Klosterkammer. Mit der Verfassungsänderung von 1848 erhielt der Paragraph 79 den Zusatz, dass das Stift Ramelsloh zusammen mit den übrigen hannoverschen Mannsstiften aufgehoben werden soll.

Die Aufhebung des Stifts

Am 24. Januar 1850 erließ König Ernst August von Hannover das Gesetz zur Aufhebung der hannoverschen Mannsstifte, unter ihnen auch Ramelsloh.
Das Gesetz besagte, dass das Vermögen und sämtliche Rechte der Stifte auf den Klosterfonds übergehen.
Erst 13 Jahre später, am 1. Mai 1863, erfolgte die tatsächliche Aufhebung von Stift Ramelsloh. Zu diesem Termin ging das Stiftsvermögen im „allgemeinen Klosterfonds“ – heute Allgemeiner Hannoverscher Klosterfonds (AHK) – auf.

Aquarell der Stiftskirche Ramelsloh vor dem Neubau, etwa 1870
Aquarell der Stiftskirche Ramelsloh vor dem Neubau, etwa 1870

Die Leistungsverpflichtungen des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds

Mit der Übernahme des Stiftsvermögens war der Klosterfonds verpflichtet, das Vermögen zu bewirtschaften und zu erhalten sowie weitere Leistungen zu erbringen.
Nach 1863 stellte sich die Frage, ob die marode ehemalige Stiftskirche durchgreifend instand zu setzen oder neu zu errichten sei. 1883 entschieden das preußische Kultusministerium in Berlin als Aufsichtsbehörde und die Klosterkammer in Hannover als zuständige Verwaltungsbehörde des Klosterfonds, dass das baufällige Langhaus durch einen Neubau ersetzt und der künstlerisch wertvolle Chor erhalten und saniert wird.

Grundriss der neuen Stiftskirche
Grundriss der neuen Stiftskirche

1885 wurde die Baumaßnahme genehmigt und von 1887 bis 1889 mit einem Kostenaufwand von 96.000 Mark durchgeführt. Die Einweihung der neuen Kirche fand am 1. Advent 1889 statt. 1907 erhielt die Kirche von der Klosterkammer für 1.840 Mark eine Heizungsanlage.

Als Universalnachfolger des 1863 aufgehobenen Stifts Ramelsloh erfüllt der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds (AHK) seit nunmehr 150 Jahren gegenüber der Ramelsloher Kirchengemeinde verlässlich seine Leistungsverpflichtungen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die laufende Bauunterhaltung und um Zuschüsse für Kultus- und Personalkosten.
Für die Bauunterhaltung gibt die Klosterkammer jährlich durchschnittlich 10.000 Euro aus. Darüber hinaus führt sie erforderliche Sondermaßnahmen an Gebäuden und Ausstattung durch.