Andacht zum Monatsspruch Juni 2018

Monatsspruch Juni 2018
Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.

Hebräer 13,2

Das Kind schwebt offensichtlich in höchster Lebensgefahr. Der Vierjährige hängt nur noch an den Händen außen am Balkon im vierten Stock eines Pariser Hochhauses. Passanten auf der Straße beobachten und filmen diese beängstigende Szene. Dann löst sich ein junger Mann aus Mali aus der Menge und klettert mit einer unglaublichen Mischung aus Kraft und Geschicklichkeit von Balkon zu Balkon hinauf bis zu dem Kind. Mit einer kraftvollen Handbewegung wuchtet Mamoudou Gassama, so der Name des Retters, das Kind zurück auf den sicheren Balkon. Die Eltern des Kindes waren nicht Zuhause. Das Video von der Heldentat des „Spidermans von Paris“ wird im Internet millionenfach geteilt.

Der Afrikaner lebte ohne gültige Papiere  in Paris. Nun wird er für seine Rettungstat, bei der er sein eigenes Leben riskierte, gefeiert. Staatspräsident Macron empfängt ihn und stellt ihm die französische Staatsbürgerschaft in Aussicht. Der 22-Jährige sagte französischen Medien, er habe nicht lange überlegt: „Ich habe es getan, weil es um ein Kind ging. Ich kriegte einen Balkon zu fassen und bin dann einfach so hochgeklettert, Gott sei Dank habe ich ihn gerettet.“

„Vergesst die Gastfreundschaft nicht …“, schreibt der Apostel im Hebräerbrief. Die allermeisten von uns laden sich gerne Gäste ein. Aber in der Regel entscheiden wir und überlegen uns gut, wenn wir in unser Haus einlassen wollen und wen nicht. Gastfreundschaft gewähren wir in der Regel unser Familie, Freunden, Bekannten und guten Nachbarn. Menschen, die wir gerne um uns haben. Wenn in der Bibel von Gastfreundschaft die Rede ist, dann geht es um etwas anderes: Gastfreundschaft ist dort vor allem ein Dienst an den Menschen, die etwa nach einer langen und beschwerlichen Reise Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf brauchen.

„… denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen Engel beherbergt.“

So ist es Abraham ergangen, der am Hain Mamre drei Männer bewirtete. Es waren in Wirklichkeit Engel, die ihm und Sara die Geburt ihres Sohnes Isaak ankündigten.

So ist es den Einwohnern von Paris ergangen, als aus dem „Illegalen“ aus Mali der lebensrettende Engel wurde.

Und vielleicht geht es uns ja auch so, wenn wir Gastfreundschaft wieder neu lernen. Wenn wir unsere Türen und Herzen nicht nur für die offen haben, die uns wohlbekannt und angenehm sind. Vielleicht begegnen wir mit einer Offenheit für neue Menschen ja endlich auch einem Engel.

Ihr Hans Georg Wieberneit, Pastor