Hört doch auf!

Aufhören hat kein gutes Image. In der Kirche schon gar nicht. Das kommt wahrscheinlich daher, weil die Kirche selber eine ist, die nicht aufhört. Und in der Kirche predigen wir über viele Dinge, die auch nicht aufhören. Die Liebe zum Beispiel. Und Jesus selbst natürlich. Er hört ja nicht auf, bei uns zu sein: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage.“ Wie der Herr, so’s Gescherr, denkt man sich. Angefangen, mitgehangen. Aufhören kommt nicht in Frage. Wer aufhört, gibt auf. Wer aufhört, gibt klein bei. Wer aufhört, hat es eben nicht geschafft. Scheitern und Schwäche.

Ich finde, das Aufhören hat einen Imagewechsel verdient. Gerade in der Kirche. Wir verstehen doch etwas vom Doppelsinn der Worte. Und da zeigt sich das „Aufhören“ als ein sprachliches Wunderwerk. Denn „Aufhören“ heißt ja nicht nur, von etwas abzulassen, sich abzuwenden, oder etwas zum Ende zu bringen. „Aufhören“ hat auch mit den Ohren zu tun. Auf etwas hören, für etwas aufmerksam werden, einem Menschen oder einer Sache sein Gehör schenken – Auf-Hören.

Den Verdacht von Scheitern und Schwäche braucht solches Auf-Hören nicht zu fürchten. Im Gegenteil. Es stecken Riesenportionen von Mut und Stärke darin. Der Mut, sich durch Gehörtes verwandeln oder umstimmen zu lassen. Die Stärke, hellhörig und empfänglich zu sein für das, was zu uns spricht, für den, der uns anspricht. Mensch oder Gott. Himmel oder Hölle. Und oft genug mag es ein mutiges Selbstgespräch sein, das mir meine eigenen zum Schweigen gebrachten Möglichkeiten mal wieder zu Gehör bringt.

Und am Ende kann das Auf-Hören mit den Ohren uns dann wieder zurückbringen zum Aufhören in der Kirche. Zwei Fragen müssen dafür Antwort finden. Erstens: Worauf müssten wir hören, damit wir mit etwas, das so nicht weitergeht, wirklich mal aufhören können? Zweite Frage umgekehrt: Womit müssen wir in der Kirche aufhören, damit wir fähig werden, auf das, was im Rauschen der Betriebsamkeit unhörbar geworden ist, wieder zu hören

Landessuperintendent
Dieter Rathing