Andacht zum Monatsspruch Oktober

Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum HERRN;
denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.

Jeremia 29,7

Da sitzt er – wie angewurzelt. Er blickt starr auf den Boden. Seine Tränen brennen auf den Wangen. Die Katastrophe steckt ihm noch in den Knochen.
Obwohl schon viele Jahre seitdem vergangen sind. Tag und Nacht verfolgen ihn die Bilder von damals. Die Babylonier haben Jerusalem erobert. Sie haben sogar den Tempel zerstört – den Wohnsitz Gottes. Und so viele haben sie ins Exil geführt. Männer und Frauen und Kinder, sie leben jetzt über 1.000 Kilometer entfernt der Heimat – vom gelobten Land verschleppt nach Babylon. Und die Verschleppten versuchen, ihre Kultur, ihren Glauben zu bewahren. Sie bleiben für sich, feiern ihre eigenen Gottesdienste. Sie meiden den Kontakt zu den Einheimischen. Und immer wieder kreisen die Gedanken um die verlorene Heimat. Und so sitzt er da an den Wassern von Babylon und weint. Die Menschen, die an ihm vorbeigehen, sieht er nur verschwommen.
Da hört er die Worte des Propheten herüberwehen: „Suchet der Stadt Bestes“. Der Prophet Jeremia hat einen Brief geschrieben an die Juden in Babylon: „Haltet Eure Sehnsucht wach. Eure Sehnsucht nach dem gelobten Land. Einst werdet Ihr wieder sein in dem Land, in dem Milch und Honig fließen. Aber jetzt – jetzt seid ihr hier. Hier und jetzt sollt ihr leben. So will es Euer Gott. Ihr sollt Euch nicht abkapseln, nicht einigeln. Baut Häuser, pflanzt Gärten und esst daraus ihre Früchte. Suchet der Stadt Bestes – und es wird auch Euch wohlergehen.“
Und der Mann sitzt dort an den Wassern von Babylon und wischt sich die Tränen aus den Augen. Und er sieht auf einmal wieder. Er erkennt die Menschen, die vorbeigehen. Sie sind die Menschen, mit denen er in Zukunft sein Leben teilen wird.
So stelle ich mir die Geschichte dieses Prophetenverses vor. Für mich auch heute ein Ansporn: Bleibt mit Eurem Glauben nicht für Euch. Geht raus. Als Christinnen und Christen gestaltet die Gesellschaft mit. Das wird ein Segen für alle sein.

Ihr Christian Berndt,
Superintendent in Winsen


Bild: Superintendent Christian E. Berndt, Kirchenkreis Winsen. (Fotos: Wilfried Staake)